Darf ich meine Nachbarn beobachten?
Wer gern und häufig in seiner Freizeit zu einem Fernglas greift, um die Welt zu erkunden, wird wohl auch schon einmal heimlich bei seinen Nachbarn vorbeigeschaut haben. Haben Sie sich in diesem Fall auch bereits gefragt, ob das überhaupt erlaubt ist? Grundsätzlich lautet die Antwort auf diese Frage nämlich: Ja! Sie dürfen tatsächlich erst einmal alles und jeden beobachten. Wichtig ist es jedoch, darauf zu achten, auf welche Art und Weise die Beobachtung vonstatten geht und vor allem wie lange und ausdauernd Sie bei der Sache sind.
Neugier ist nicht strafbar
Angenommen Sie bestaunen die Professionalität Ihres Nachbarn bei seinen Grillfesten und lugen durch Ihr Fernglas, um seine Grilltechnik zu studieren, kann man in diesem Fall noch nicht von Stalking oder gar Ausspionieren sprechen. Dabei ist das Fernglas an sich gar nicht ausschlaggebend für den Grad der Belästigung, sondern viel mehr die Anstrengung, die Sie unternehmen müssten, um etwas an sich nicht öffentlich Zugängliches auszukundschaften. Müssten Sie beispielsweise auf eine Leiter steigen oder auf einen Baum klettern, um in ein bestimmtes Zimmer spähen zu können, greifen Sie damit allerdings in das Persönlichkeitsrecht bzw. die Intimsphäre Ihres Nachbarn ein. Insbesondere das heimliche Filmen und Fotografieren ist eine echte Straftat, sogar, wenn es vom eigenen Grundstück aus erfolgt. Es handelt sich dabei nämlich nicht nur um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, sondern auch um Verstöße gegen den Datenschutz.
Warum Nachbarn sich gegenseitig beobachten
In den meisten Fällen ist die gegenseitige Beobachtung unter Nachbarn völlig harmlos. Man möchte einfach gern wissen, mit wem man es in seiner unmittelbaren Nähe zu tun hat. Vielleicht haben die Nachbarn ein interessantes Hobby, sind begnadete Gärtner oder empfangen einfach viele (nicht immer besonders leise) Gäste. In solchen Fällen ein wenig Neugier an den Tag zu legen und einmal zu schauen, welche Vorspeise die Dame des Hauses zum Grill-Event ihres Mannes serviert, ist sicher nicht verwerflich.
Es kommen jedoch auch weniger harmlose und sogar besorgniserregende Umstände in Betracht, die für eine etwas genauere Beobachtung der Nachbarn ausschlaggebend sein könnten. Dazu gehören beispielsweise Ruhestörungen, ungehobelter Besuch und der Verdacht auf illegale Aktivitäten. Besorgte Anwohner reagieren sehr empfindlich, wenn der Verdacht im Raum steht, dass in ihrem Umfeld merkwürdige Machenschaften vor sich gehen.
Eine der häufigsten Ursachen für die Beoabachtung von Nachbarn ist häusliche Gewalt. Einen Streit mit anhören zu müssen, der in Gewalttätigkeiten eskaliert, führt oft dazu, dass die Polizei gerufen wird. In solchen Fällen sind Anwohner für das nachbarschaftliche Umfeld derart sensibilisiert, dass ein wachsames Auge auf die Nachbarn sogar sinnvoll erscheinen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verdacht besteht, dass Kinder gefährdet sein könnten.
Die Gründe für das Beobachten der Nachbarn sind vielschichtig und nicht immer von edlen Motiven geleitet. Dennoch kann es unter Umständen hilfreich sein, wenn couragierte und wohlwollende Nachbarn ein Auge auf Problemsituationen haben – so lange sie sich nicht unnötig einmischen.
Was ist verboten?
Daher gilt es zu beachten: Sobald die Beobachtung des Nachbarn auf eine Art und Weise erfolgt, welche zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung führt, kann diese möglicherweise als Stalking oder auch als Nachstellung nach Paragraph 238 Strafgesetzbuch (StGB) ausgelegt werden. Denn eine beharrliche Wiederholung der Beoabachtung, die willentlich stattfindet und von einer anderen Person als Belästigung und Verfolgung wahrgenommen wird, kann mit einer Geldstrafe oder sogar bis zu drei Jahren Haft geahndet werden.
Hilfe – mein Nachbar beobachtet mich!
Sollten Sie sich selbst hin und wieder unwohl fühlen, weil Sie das Gefühl haben, von Ihren Nachbarn beoabachtet zu werden: Damit sind Sie nicht allein! Es mag Sie überraschen, doch neugierige Nachbarn gehören heutzutage zum Alltag. Einer Umfrage von ImmobilienScout24 zufolge, geben 40 Prozent der Deutschen an, sich durch voyeuristische Nachbarn in ihrer Privatsphäre gestört zu fühlen.
Es besteht kein vordefiniertes Maß, welches festlegt, wie viele Stunden am Tag oder an wie vielen Tagen pro Woche sich Nachbarn gegenseitig beobachten dürfen. Daher sind die Grenzen zwischen normalem Verhalten und auffälligem Voyeurismus durchaus fließend.
Doch können von Stalking Betroffene ihre Nachbarn durchaus in einigen Fällen zivilrechtlich belangen. Sind die durch die Beobachtung entstandenen psychischen oder physischen Beeinträchtigungen bereits so eklatant zu Tage getreten, dass Sie diese durch Protokolle und Zeugen eindeutig mit der Beobachtung durch ihre Nachbarn in Verbindung bringen können, kann sich eine Klage als sinnvoll erweisen. Bevor es allerdings so weit kommt, stehen Ihnen jedoch auch andere Wege offen:
- Das Beste ist, mit Ihrem Nachbarn offen darüber zu sprechen, dass Sie sich beobachtet fühlen und er dies bitte unterlassen soll. Für den Fall, dass Ihr Nachbarschaftsverhältnis sowieso nicht gerade als entspannt gelten kann, treten Sie freundlich aber bestimmt auf und stellen Sie direkte Forderungen. Wenn Sie grundsätzlich davon ausgehen, dass das Spionieren durch Ihre Bitte nicht aufhören wird, können Sie Ihre Forderung an den Nachbarn auch schriftlich formulieren. Für den Fall eines Gerichtsverfahrens haben Sie damit schon einen Beweis, dass Sie zuvor selbst versucht haben, das Problem aus der Welt zu schaffen.
- Sollte Ihr Gespräch keine Besserung bringen, schützen Sie sich selbst! Bringen Sie Rollos und Sichtschutz an den Fenstern an. Dabei muss man nicht immer zu Vorhängen greifen – üppige Pflanzen und Spiegefolie aus dem Baumarkt tun es auch. Für den Garten eignen sich Markisen, Trennwände aus Holz und wunderschöne Buchenhecken, die allerdings erst einmal anwachsen müssen.
- Schalten Sie unbedingt auch Ihren Vermieter ein, wenn Sie zur Miete wohnen. Dieser kann mit dem Nachbarn in Verbindung treten und ihn auffordern, seine Beobachtung zu beenden.
Fazit
Das Beobachten von Nachbarn kann vielfältige Gründe haben. Es muss nicht immer böswillig sein und kann durchaus einfach nur das Interesse und Neugier der Anwohner bekunden. Wer sich zu sehr in die Privatsphäre drängt, macht sich möglicherweise strafbar. Eine Straftat aber vor Gericht nachzuweisen, ist sehr schwierig und für die Opfer von Stalking häufig sehr belastend. Die beste Methode, sich vor Beobachtung und gegenseitigen Anfeindungen zu schützen, bleibt daher ein entspanntes und freundschaftliches Verhältnis zu den Nachbarn aufzubauen. Eine gute Beziehung verhindert nicht nur das Eindringen anderer in die eigene Privatsphäre, sondern ebenfalls das Überhandnehmen von allzu großer Neugier in Bezug auf das Leben der anderen Bewohner.
(Dieser Beitrag stellt übrigens keine Rechtsberatung dar. Kontaktieren Sie bitte die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens. Dieser kann Ihnen eine Rechtsberatung bieten.)